1. Befristung
Die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse ist grundsätzlich im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt. Dieses unterscheidet zwischen Befristung mit Sachgrund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) und Befristungen ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes (§ 14 Abs. 2 und 3 TzBfG). Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Sachgrund gem. § 14 Abs. 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit dem selben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Im Anschluss an seine Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 BeschFG in der Fassung des Gesetzes vom 25. September 1996 hat der Siebte Senat mit Urteil vom 10. November 2004 (- 7 AZR 101/04 -) entschieden, dass Arbeitgeber i.S.d. § 14 Abs. 2 TzBfG der Vertragsarbeitgeber, d.h. die natürliche oder juristische Person ist, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen hat. Ein vorhergehender Arbeitsvertrag hat mit demselben Arbeitgeber in diesem Sinne nur bestanden, wenn der vormalige Vertragspartner des Arbeitnehmers dieselbe natürliche oder juristische Person wie der jetzige Arbeitgeber war und beide Arbeitgeber identisch sind. Eine Verschmelzung führt nicht dazu, dass übertragender und übernehmender Rechtsträger rechtlich als derselbe Arbeitgeber anzusehen sind. Der übertragende Rechtsträger erlischt nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG mit der Eintragung der Verschmelzung. Zwar ordnet § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG die Gesamtrechtsnachfolge des übernehmenden Rechtsträgers in die Rechtsposition des übertragenen Rechtsträgers an. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die gesetzliche Einschränkung, nach welcher der übertragende Rechtsträger mit einem zuvor beschäftigten Arbeitnehmer nicht noch einmal in zulässiger Weise einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abschließen kann, auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Die nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vorausgesetzte Personenidentität auf Arbeitgeberseite ist auch im Falle eines Betriebsübergangs nach § 324 UmwG in der bis zum 31. März 2002 geltenden Fassung i.V.m. § 613 a Abs. 1 BGB nicht gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor einem im Zuge der Verschmelzung vollzogenen Betriebsübergang beendet war und daher nicht kraft Gesetzes vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen ist.
Nach 623 BGB in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (seit 1. Januar2001: § 14 Abs. 4 TzBfG) bedarf die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags der Schriftform. Nach einer Entscheidung des Siebten Senats vom 1. Dezember 2004 (- 7 AZR 198/04 -) ist diese nicht gewahrt, wenn die Parteien nur mündlich einen befristeten Arbeitsvertrag vereinbaren und sie diesen Vertrag einschließlich der Befristungsabrede nach Antritt der Arbeit schriftlich niederlegen. Die nur mündlich vereinbarte Befristung ist mangels Schriftform nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Dies hat nicht die Unwirksamkeit des gesamten Arbeitsvertrags zur Folge. Vielmehr entsteht anstelle des befristeten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die nach Vertragsbeginn und nach Aufnahme der Arbeit erfolgte schriftliche Niederlegung der mündlich vereinbarten Befristung führt nicht dazu, dass die Befristung rückwirkend wirksam wird. Eine derartige Rechtsfolge ergibt sich nicht aus § 141 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift ist auf die nach Vertragsbeginn vorgenommene schriftliche Fixierung einer zunächst nur mündlich getroffenen Befristungsvereinbarung in einem wirksamen Arbeitsvertrag nicht anwendbar.
Ihre Voraussetzungen liegen nicht vor. Der mündlich geschlossene Arbeitsvertrag ist – abgesehen von der Befristung – von Anfang an wirksam und bildet die rechtliche Grundlage für die daraus resultierenden Rechte und Pflichten der Parteien. Eine entsprechende Anwendung des § 141 Abs. 2 BGB scheidet aus. Halten die Parteien in einem nach Vertragsbeginn unterzeichneten Arbeitsvertrag eine zuvor mündlich getroffene Befristungsabrede schriftlich fest, liegt darin in der Regel nicht die nachträgliche Befristung des zunächst entstandenen Arbeitsverhältnisses. Die Parteien wollen regelmäßig nur das zuvor mündlich Vereinbarte schriftlich festhalten, aber keine Vertragsänderung herbeiführen.
Mit Urteil vom 27. Juli 2005 (- 7 AZR 443/04 -) hat der Siebte Senat bekräftigt, dass eine einzelvertraglich vereinbarte Altersgrenze, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Zeitpunkt des Erreichens der sozialversicherungsrechtlichen Regelaltersgrenze vorsieht, zulässig ist. Die hierin liegende Befristung des Arbeitsverhältnisses ist sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Beschäftigung eine gesetzliche Altersrente erwerben kann. Die Wirksamkeit der Befristung ist nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig. Das verfassungsrechtliche Untermaßverbot erfordert keine am individuellen Lebensstandard des Arbeitnehmers und seinen subjektiven Bedürfnissen orientierte Altersversorgung. Der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Schutzpflicht ist bereits dann genügt, wenn der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann. Dem steht es gleich, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer durch Gesetz gleichgestellten anderweitigen Alterssicherung von der Rentenversicherungspflicht befreit worden (§ 6 SGB VI) und die Altersgrenze auf den Zeitpunkt
des gesetzlichen Rentenalters bezogen ist. Die Befristung ist in diesem Fall auch, unabhängig davon wirksam, für welche Versorgungsform der Arbeitnehmer sich entschieden hat. Der Senat hat weiter entschieden, dass eine Altersgrenze, die in allgemeinen Arbeitsbedingungen unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ enthalten ist, keine überraschende Klausel i.S. von § 305 c Abs. 1 BGB darstellt.
2. Kündigung
a) Kleinbetriebsklausel
Betriebe mit in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmern ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten werden durch § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der vor dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung vom Geltungsbereich des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes ausgenommen. Für Arbeitnehmer in diesen Betrieben besteht kein allgemeiner Kündigungsschutz.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Zweiten Senats trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes . Der Arbeitnehmer muss im Einzelnen darlegen und ggf. beweisen, in einem Betrieb tätig zu sein, in dem in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt sind. In seinem Urteil vom 24. Februar 2005 (- 2 AZR 373/03 -) hat der Zweite Senat offen gelassen, ob an dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast festzuhalten ist. Da sich der Stellenwert der Grundrechte, hier des Art. 12 GG, in der verfahrensrechtlichen Verteilung der Darlegungsund Beweislast widerspiegele, dürften jedenfalls keine unzumutbar strengen Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers gestellt werden.
Dementsprechend genügt der Arbeitnehmer regelmäßig seiner Darlegungslast, wenn er die für eine entsprechende Arbeitnehmerzahl sprechenden Tatsachen und ihm bekannten äußeren Umstände schlüssig darlegt. Der Arbeitgeber muss dann nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die substantiierten Darlegungen des Arbeitnehmers sprechen.
b) Ordentliche Beendigungskündigung im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes
Nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats kann eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers sozial gerechtfertigt sein (§ 1 Abs. 1
KSchG), wenn für den Arbeitnehmer ein Beschäftigungsverbot besteht . Mit Urteil vom 24. Februar 2005 (- 2 AZR 211/04 -) hat der Zweite Senat entschieden, dass das gleiche gilt, wenn nicht die Beschäftigung mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit selbst gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wohl aber der Arbeitgeber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat und die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen, gesetzliche Verpflichtungen, die mit der Beschäftigung verbunden sind, nicht erfüllen kann. Auch in diesem Fall besteht ein Beschäftigungshindernis. Der Zweite Senat hat deshalb die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die der Arbeitgeber zum Austragen von Sonntagszeitungen eingestellt hatte, für wirksam erachtet, weil diese bei einem weiteren Arbeitgeber von Montag bis Samstag ebenfalls Zeitungen austrug. Werden nämlich Arbeitnehmer ausnahmsweise zum Austragen von Presseerzeugnissen sonntags beschäftigt, müssen sie nach § 11 Abs. 3 ArbZG einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb der nächsten zwei Wochen zu gewähren ist. Dies war nicht möglich, weil die Arbeitnehmerin an allen übrigen Tagen der Woche in dem anderen Arbeitsverhältnis arbeitete. Das Gebot der Gewährung eines Ersatzruhetags muss objektiv erfüllt werden. Es ist nicht ausreichend, dass der „Sonntags-Arbeitgeber“ an einem Wochentag keine Arbeit abfordert. Vielmehr darf an dem Ersatzruhetag überhaupt keine Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Auf den Ersatzruhetag kann der Arbeitnehmer nicht verzichten.
Eine aufgrund wirtschaftlicher oder technischer Entwicklung veranlasste unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers kann nach der ständigen Rechtsprechung des Zweiten Senats ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S. des § 1 Abs. 2 KSchG begründen, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt. Die Organisationsentscheidung muss ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses sein. Ist eine derartige Unternehmerentscheidung getroffen worden, so ist sie nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung und ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Mit Urteil vom 22. September 2005 (- 2 AZR 208/05 -) hat der Zweite Senat eine unternehmerische Entscheidung akzeptiert, die zum zeitgleichen Ausspruch von Beendigungs- und Änderungskündigungen führt. Das Gesamtkonzept setzt sich aus zwei gleichzeitig umgesetzten Veränderungen gegenüber der bisherigen Organisation zusammen. Zum einen wurde die Erfüllung des bisherigen Beschäftigungsbedarfs reorganisiert, indem die Verteilung der anfallenden Aufgaben auf die Arbeitsplätze verändert wurde. Anstatt die Tätigkeiten wie bisher nach ihrer Art Spezialarbeitsplätzen zuzuweisen, sieht die neue Struktur die Zuständigkeit aller Arbeitnehmer für alle anfallenden Arbeiten vor (Allround-Arbeitsplätze). Zum anderen hat die Arbeitgeberin – in einem zugleich mit dem ersten ins Werk gesetzten zweiten Schritt – eine Reduzierung der für die betrieblichen Aufgaben zur Verfügung gestellten Arbeitskapazität vorgenommen und vorgesehen, dass die bisherigen Tätigkeiten in Zukunft nur noch in dem Umfang ausgeführt werden, in dem die von ihr festgelegte personelle Kapazität dies ermöglicht. Ein derartiges Gesamtkonzept ist als unternehmerische Entscheidung grundsätzlich nicht zu beanstanden. Weder kann der Arbeitgeberin vorgehalten werden, sie müsse die verbliebene Arbeit auf alle Arbeitnehmer verteilen und deshalb allen Arbeitnehmern gegenüber Änderungskündigungen aussprechen, noch verlangt das Gesetz, dass sie ihre Reorganisation so gestaltet, dass sie zunächst nach den Grundsätzen der Sozialauswahl die schutzwürdigsten Arbeitnehmer ermittelt und die Reorganisation dann dem nach sozialen Gesichtspunkten verbliebenen Arbeitskräftepotential anpasst. Vielmehr bildet – gerade umgekehrt – das betriebliche Bedürfnis die Grundlage für die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und diese ihrerseits die Grundlage für die vorzunehmende soziale Auswahl. Die Arbeitgeberin muss die Reorganisationsmaßnahme auch nicht in zeitlichen Stufen dergestalt vornehmen, dass sie zunächst Änderungskündigungen ausspricht, abwartet, wie die hiervon betroffenen Arbeitnehmer reagieren, und die etwa abgelehnten Arbeitsplätze den nach dem ursprünglichen Konzept zur Beendigungskündigung vorgesehenen Arbeitnehmern anbietet, um erst danach die dann noch notwendigen Beendigungskündigungen auszusprechen.
Für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs an . Mit Urteil vom 21. April 2005 (- 2 AZR 241/04 -) hat der Zweite Senat entschieden, dass diese Grundsätze auch für die Frage gelten, ob die Kündigung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist. Der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung zu bilden. Arbeitnehmer, denen gegenüber eine ordentliche Kündigung in diesem Zeitpunkt aufgrund von Vorschriften des Sonderkündigungsschutzes ausgeschlossen ist, sind in diesen Personenkreis nicht einzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn aus der Sicht im Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung der Sonderkündigungsschutz voraussichtlich alsbald auslaufen wird und aufgrund der kurzen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis des besonders geschützten Arbeitnehmers zu demselben Termin beendet werden könnte, zu dem auch das Arbeitsverhältnis des konkurrierenden, sozial schwächeren Arbeitnehmers gekündigt werden kann. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, mit der Kündigung zu warten, bis der Sonderkündigungsschutz ausgelaufen ist. Für eine solche Verpflichtung findet sich im Gesetz keine Stütze. Zudem kann in dem früheren Zeitpunkt nicht sicher beurteilt werden, ob die spätere Kündigung wirksam wäre. So ist unwägbar, wie zu dieser Zeit der vergleichbare Personenkreis zu bestimmen wäre.
Nach der Konzeption des § 1 Abs. 3 KSchG ist die Sozialauswahl betriebsbezogen. Regelmäßig sind deshalb alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die Entscheidung einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Diese strenge Betriebsbezogenheit der Sozialauswahl hat der Zweite Senat mit Urteil vom 2. Juni 2005 (- 2 AZR 158/04 -) bekräftigt und entschieden, dass auch bei einer entsprechenden Ausweitung des Direktionsrechts des Arbeitgebers die Sozialauswahl grundsätzlich nicht unternehmensbezogen vorzunehmen ist. Wortlaut, Sinn und Zweck und Gesamtzusammenhang des § 1 KSchG sprechen eindeutig für die Betriebsbezogenheit der sozialen Auswahl. Besteht in einem der Betriebe eines Unternehmens ein dringendes betriebliches Erfordernis, so kann dies grundsätzlich nur die Kündigung gegenüber Arbeitnehmern dieses Betriebs sozial rechtfertigen. Dafür, im Wege der Sozialauswahl für die zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer Arbeitsplätze in einem anderen Betrieb des Unternehmens frei zu kündigen, besteht, auf den anderen Betrieb bezogen kein dringendes Erfordernis. Dies gilt auch dann, wenn in Arbeitsverträgen ein unternehmensweites Versetzungsrecht vereinbart ist. Eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl würde zudem zu nur schwer lösbaren Problemen im Rahmen der Beteiligung des Betriebsrats führen. Im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG muss der Arbeitgeber die vier sozialen Auswahlkriterien – die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung – ausreichend berücksichtigen. Mit Urteil vom 2. Juni 2005 (- 2 AZR 480/04 -) hat der Zweite Senat entschieden, dass an sich nicht anrechnungsfähige frühere Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber oder einem anderen Unternehmen für die Dauer der Betriebszugehörigkeit nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch eine vertragliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien berücksichtigt werden können. Zwar sind die Regelungen über die Sozi
alauswahl nicht dispositiv. § 1 Abs. 3 KSchG steht aber mittelbaren Verschlechterungen in der kündigungsrechtlichen Position eines Arbeitnehmers, die sich aus einer zulässigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen mit einem anderen Arbeitnehmer ergeben, nicht entgegen. Die sich zu Lasten anderer Arbeitnehmer auswirkende Individualvereinbarung darf aber nicht rechtsmissbräuchlich sein und nicht nur die Umgehung der Sozialauswahl bezwecken. Für eine Berücksichtigung der vertraglich vereinbarten Betriebszugehörigkeitszeit muss ein sachlicher Grund vorliegen. Dieser ist ohne Weiteres anzunehmen, wenn der Be-
rücksichtigung früherer Beschäftigungszeiten ein arbeitsgerichtlicher Vergleich wegen eines streitigen Betriebsübergangs zugrunde liegt. Der Zweite Senat hat weiter bekräftigt, dass keinem der genannten sozialen Gesichtspunkte ein Vorrang gegenüber den anderen zukommt, auch nicht der Betriebszugehörigkeit.
c) Ordentliche Beendigungskündigungen durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter
Nach § 113 Satz 2 InsO kann das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers vom Insolvenzverwalter mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Mit Urteil vom 20. Januar 2005 (- 2 AZR 134/04 -) hat der Zweite Senat entschieden, dass diese verkürzte Kündigungsfrist nur der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sich in Anspruch nehmen kann. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm und der Systematik der Insolvenzordnung findet die spezifische Kündigungsfristenregelung auf den sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 InsO keine unmittelbare Anwendung. Die Regelung des § 113 InsO ist auf die Kündigung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters auch nicht entsprechend anzuwenden, denn die Voraussetzungen für eine Analogie liegen nicht vor. Die Insolvenzordnung enthält keine planwidrige Regelungslücke. Der starke vorläufige Insolvenzverwalter und der endgültige Insolvenzverwalter haben unterschiedliche Funktionen und sind vom Gesetzgeber nicht völlig gleichgestellt worden. § 113 InsO verdrängt nach einer Entscheidung des Sechsten Senats vom 22. September 2005 (- 6 AZR 526/04 -) Unkündbarkeitsklauseln in Betriebsvereinbarungen. Auch § 323 Abs. 1 UmwG, nach dem sich im Fall einer Unternehmensspaltung die kündigungsrechtliche Stellung der betroffenen Arbeitnehmer aufgrund der Spaltung für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens nicht verschlechtert, steht dem nicht entgegen. Bei insolvenzbedingter Stilllegung des Betriebs des abgespaltenen Unternehmens kann trotz § 323 Abs. 1 UmwG wirksam gekündigt werden. Weiter hat der Senat entschieden, dass hinsichtlich einer Sozialauswahl, die gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen ist, nicht auf die Verhältnisse vor Wirksamwerden der Spaltung abzustellen ist. Von einer im abgespaltenen Unternehmen getroffenen Unternehmerentscheidung werden die Arbeitnehmer in den übrigen Unternehmen nicht erfasst, wenn im Zeitpunkt der Kündigung kein Gemeinschaftsbetrieb mehr besteht. Es bedarf dann keiner unternehmens übergreifenden Sozialauswahl.
Der Sechste Senat war mit der betriebsbedingten Kündigung eines Arbeitnehmers in Altersteilzeit durch den Insolvenzverwalter befasst. Nach seiner Entscheidung vom 16. Juni 2005 (- 6 AZR 476/04 -) stellt die Stilllegung des Betriebs ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S. von § 1 Abs. 2 KSchG dar, das die Kündigung eines dort beschäftigten Arbeitnehmers auch dann bedingt, wenn er sich in der Arbeitsphase der Altersteilzeit nach dem Blockmodell befindet. Für eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter gilt nichts anderes, selbst wenn zwischen Kündigungstermin und Freistellungsphase nur ein Monat Arbeitsphase liegt. Eine einzelfallbezogene Interessenabwägung kann sich bei betriebsbedingten Kündigungsgründen allenfalls in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Das kann dann der Fall sein, wenn die betriebsbedingte Kündigung zu unverhältnismäßigen Nachteilen für den Arbeitnehmer führt, während der Vorteil für den kündigenden Arbeitgeber oder für die Insolvenzmasse dem gegenüber als gering erscheint. Daran fehlte es im vom Sechsten Senat entschiedenen Fall. Der Arbeitnehmer konnte als Alternative zur Altersrente nach Altersteilzeit auch Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beziehen. Die Fortführung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses hingegen hätte zu einer nicht unerheblichen Belastung der Insolvenzmasse geführt. Eine Änderungskündigung mit dem Ziel, zur Entlastung der Masse Forderungen des Arbeitnehmers in Altersteilzeit auf die vereinbarten Aufstockungsbeiträge zu beseitigen, ist kein milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung. Der Insolvenzverwalter konnte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Frist des § 113 InsO kündigen. Bei dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis handelt es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis, das der Insolvenzverwalter gem. § 113 InsO kündigen kann, auch wenn eine Kündigungsmöglichkeit weder vertraglich noch tarifvertraglich vorgesehen ist.
Kündigt der Insolvenzverwalter einem Arbeitnehmer wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung, so spricht es nach einer Entscheidung des Achten Senats vom 29. September 2005 (- 8 AZR 647/04 -) gegen eine endgültige Stilllegungsabsicht, wenn dem Insolvenzverwalter vor Erklärung der Kündigung ein Übernahmeangebot eines Interessenten vorliegt, das wenige Tage später zu konkreten Verhandlungen und einer teilweisen Betriebsübernahme führt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im vorausgegangenen Interessenausgleich dessen Neuverhandlung vereinbart war, falls ein Betriebsübergang auf einen dritten Interessenten erfolgt.
Mit Urteil vom 21. Juli 2005 (- 6 AZR 592/04 -) hat der Sechste Senat entschieden, dass grobe Fehlerhaftigkeit einer Sozialauswahl i.S.v. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO vorliegt, wenn einem Arbeitnehmer gekündigt wird, der ein 30 Jahre höheres Lebensalter und eine 20 Jahre längere Betriebszugehörigkeit aufweist als ein Mitarbeiter, der einem minderjährigen Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist. Diese Sozialauswahl ist grob fehlerhaft, weil ihr ein evidenter Fehler anhaftet und sie bei der Gewichtung der Auswahlkriterien jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Der Senat hat weiter entschieden, dass im massearmen Insolvenzverfahren ein Insolvenzverwalter, der mit dem Betriebsrat einen aufschiebend bedingten Interessenausgleich vereinbart hat, regelmäßig Neumasseverbindlichkeiten gem. § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO begründet, wenn er mit Kündigungen bis zum Bedingungseintritt zuwartet. Der Senat konnte offen lassen, ob ein Interessenausgleich grundsätzlich bedingungsfeindlich ist. Liegen die übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen (zB Schriftform) vor, ist der Interessenausgleich als zumindest „versucht“ iSv. § 113 Abs. 3 BetrVG anzusehen, auch wenn er wegen der Bedingung unwirksam sein sollte. Der Insolvenzverwalter hat deshalb ohne Rücksicht
auf die Bedingung die erste Kündigungsmöglichkeit nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zu nutzen, wenn er die Entstehung von Neumasseverbindlichkeiten vermeiden will.
d) Außerordentliche Kündigung
Mit Urteil vom 7. Juli 2005 (- 2 AZR 581/04 -) hat der Zweite Senat erstmals über die fristlose Kündigung wegen privater Nutzung des Internets während der Arbeitszeit entschieden. Eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht sowie anderer vertraglicher Nebenpflichten kann sich bei der privaten Internetnutzung aus verschiedenen Umständen ergeben: 1) durch eine Nutzung entgegen einem ausdrücklichen Verbot des Arbeitgebers; 2) durch das Nichterbringen der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung während des „Surfens“ im Internet zu privaten Zwecken; 3) durch das Herunterladen erheblicher Datenmengen aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme („unbefugter Download“), insbesondere wenn damit die Gefahr möglicher Vi-
reninfizierung oder anderer Störungen des Betriebssystems verbunden sein kann oder Daten herunter geladen werden, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise weil es sich um strafbare oder pornografische Darstellungen handelt; 4) durch die mit der privaten Nutzung entstehenden zusätzlichen Kosten. Bei einer privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit verletzt der Arbeitnehmer grundsätzlich seine Hauptleistungspflicht zur Arbeit. Dabei wiegt eine Pflichtverletzung umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt. Nicht in allen Fällen einer privaten Nutzung des Internets und damit im Zusammenhang stehender vertraglicher Pflichtverletzungen muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher abgemahnt haben. Nutzt der Arbeitnehmer während seiner Ar-
beitszeit das Internet in erheblichem zeitlichen Umfang zu privaten Zwecken, kann er grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber keine klarstellende Nutzungsregelung für den Betrieb aufgestellt hat. Bei einer fehlenden ausdrücklichen Gestattung oder Duldung des Arbeitgebers ist eine private Nutzung des Internets grundsätzlich nicht erlaubt. Weist in solchen Fällen die Nichtleistung der vertraglich geschuldeten Arbeit einen erheblichen zeitlichen Umfang auf, kann der Arbeitnehmer nicht ernsthaft mit der Duldung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber rechnen. In diesen Fällen bedarf es keiner Abmahnung.
e) Änderungskündigung
Im Urteil vom 21. April 2005 (- 2 AZR 132/04 -) hat sich der Zweite Senat mit dem Vorrang der Änderungskündigung vor einer Beendigungskündigung befasst. Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anzubieten. Das Angebot kann lediglich in Extremfällen (z. B. Angebot einer Pförtnerstelle an den bisherigen Personalchef) unterbleiben. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer selbst zu entscheiden, ob er eine Weiterbeschäftigung unter möglicherweise erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar hält oder nicht. Der Senat stellt klar, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, mit dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Lösung zu suchen. Er kann Änderungsangebot und Kündigung miteinander verbinden, indem er ohne vorherige Verhandlung mit dem Arbeitnehmer sofort
eine Änderungskündigung ausspricht. Es bestehen erhebliche Bedenken, dem Arbeitnehmer bei einem Änderungsangebot ohne gleichzeitige Kündigung eine Überlegungsfrist von nur einer Woche einzuräumen, während ihm bei einer Änderungskündigung die in der Regel deutlich längere Frist des § 2 Satz 2 KSchG zur Verfügung steht . Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert keine zwingend vorgeschaltete Überlegungsfrist. Den Interessen des Arbeitnehmers ist durch § 2 KSchG genügend Rechnung getragen. Machte der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer das Angebot, den Vertrag der noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen, und lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, trotzdem eine Änderungskündigung auszusprechen. Eine Beendigungskündigung ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen im Fall des Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annehmen. Hierfür trägt der Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren die Darle-
gungs- und Beweislast. Hat der Arbeitnehmer erkennen lassen, dass er das Änderungsangebot in keinem Fall annehmen werde, ist sein Verhalten widersprüchlich,
wenn er sich später auf eine mögliche Änderungskündigung beruft. Der Senat stellt in Frage, ob bei sofortigem Ausspruch einer Beendigungskündigung an der bisherigen Rechtsprechung zur fiktiven Überprüfung der Bereitschaft des Arbeitnehmers, zu den neuen Arbeitsbedingungen weiterzuarbeiten, festzuhalten ist.
f) Betriebsratsanhörung
Soll der Betrieb aufgrund des durch den vorläufigen Insolvenzverwalter erstatteten Gutachtens stillgelegt werden, reicht es für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats i.S. von § 102 BetrVG aus, wenn die Anhörung zu der nach der Insolvenzeröffnung vorgesehenen Kündigung schon durch den Geschäftsführer der Schuldnerin und den vorläufigen Insolvenzverwalter erfolgt, sofern dieser auch zum endgültigen Insolvenzverwalter bestellt wird. Dies hat der Sechste Senat mit Urteil vom 22. September 2005 (- 6 AZR 526/04 -) entschieden.
g) Sonderkündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern
In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Zweite Senat mit Urteil vom 17. März 2005 (- 2 AZR 275/04 -) entschieden, dass die Übertragung des Zustimmungsrechts des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 BetrVG auf einen Betriebsausschuss gem. § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG oder einen besonderen Ausschuss nach § 28 BetrVG grundsätzlich zulässig ist. Die Bedeutung des betriebsverfassungsrechtlichen Zustimmungsrechts nach § 103 BetrVG steht dem nicht entgegen. Das Zustimmungsrecht nach § 103 BetrVG muss dem Ausschuss ausdrücklich übertragen werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss sich aus dem schriftlichen Übertragungsbeschluss zweifelsfrei ergeben, in welchen Angelegenheiten der Betriebsausschuss anstelle des Betriebsrats rechtsverbindliche Beschlüsse fassen kann. Weiter muss der Betriebsrat bei der Übertragung von Aufgaben die allgemeine Schranke des Rechtsmissbrauchs beachten. Er darf sich nicht aller wesentlichen Befugnisse dadurch entäußern, dass er seine Aufgaben weitestgehend auf Ausschüsse überträgt. Er muss als Gesamtorgan in einem Kernbereich der gesetzlichen Befugnisse zuständig bleiben. Für die Bestimmung dieses Kernbereichs ist nicht auf die Wesentlichkeit des einzelnen Mitbestimmungstatbestandes, sondern auf den gesamten Aufgabenbereich des Betriebsrats abzustellen. Mit der Übertragung „aller mitbestimmungsrelevanten Personalmaßnahmen nach § 99-103 BetrVG“ auf den Betriebsausschuss ist dieser Kernbereich noch nicht betroffen. Weiter hat der Zweite Senat entschieden, dass der besondere Kündigungsschutz des Wahlbewerbers nach § 15 Abs. 3 KSchG bereits besteht, wenn der Wahlvorschlag behebbare Mängel aufweist. Der Arbeitgeber genügt seiner Mitteilungspflicht nach § 102 BetrVG, wenn er zunächst ein Verfahren nach § 103 BetrVG einleitet und den Betriebsrat entsprechend unterrichtet, im Kündigungszeitpunkt aber zweifelsfrei feststeht, dass ein Schutz nach § 103 BetrVG nicht besteht und deshalb nur eine Anhörung nach § 102 BetrVG erforderlich ist. Im umgekehrten Fall kann eine Anhörung nach § 102 BetrVG die Einleitung des Zustimmungsverfahrens grundsätzlich nicht ersetzen, es sei denn, der Betriebsrat hat in Kenntnis des Vorliegens der Voraussetzung des Sonderkündigungsschutzes von sich aus seine Zustimmung nach § 103 BetrVG erteilt.
h) Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer
Die außerordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers bedarf gem. §§ 91 Abs. 1, 85 SGB IX der Zustimmung des Integrationsamts. Nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats kann der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung – auch eine solche mit notwendiger Auslauffrist – bereits dann erklären, wenn die Zustimmungsentscheidung vom Integrationsamt i.S. des § 91 Abs. 3 SGB IX „getroffen“ ist und dieses die Entscheidung dem Arbeitgeber mündlich oder fernmündlich bekannt gegeben hat. Anders als bei einer ordentlichen Kündigung bedarf es der Zustellung der schriftlichen Entscheidung des Integrationsamts vor dem Zugang der Kündigungserklärung nicht. § 91 SGB IX enthält eine von § 88 SGB IX abweichende spezielle Regelung . Mit Urteil vom 12. Mai 2005 (- 2 AZR 159/04 -) hat der Zweite Senat entschieden, dass die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts im Zeitpunkt ihrer mündlichen Mitteilung an den Arbeitgeber nicht schriftlich vorliegen muss. Es reicht aus, dass sie tatsächlich getroffen worden war. Weder § 85 SGB IX noch § 91 SGB IX enthalten eine Regelung über die Form der Zustimmungserklärung. Auch aus dem Sachzusammenhang der gesetzlichen Regelung der §§ 85 ff. SGB IX lässt sich nicht ableiten, dass bei Bekanntgabe einer positiven Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts ein schriftlicher Bescheid schon vorliegen muss. Der Sinn und Zweck der §§ 85 ff. SGB IX erfordern dies nicht. Gegen ein solches Erfordernis sprechen § 91 Abs. 3 und Abs. 5 SGB IX, die das Beschleunigungsinteresse des Arbeitgebers schützen.
Die außerordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers kann noch nach Ablauf der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamts erklärt wird (§ 91 Abs. 5 SGB IX). Wie ausgeführt, kann der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung erklären, sobald die Entscheidung des Integrationsamts i.S. des § 91 SGB IX getroffen ist, was bereits dann der Fall ist, wenn das Integrationsamt dem Arbeitgeber die Entscheidung mündlich oder fernmündlich bekannt gegeben hat. Dann hat er sichere Kenntnis davon, dass in seinem Sinne entschieden ist. Er braucht mit der Kündigung nicht mehr zu warten und darf es auch nicht, weil er ansonsten nicht unverzüglich kündigen würde. Wird die Zustimmung erst durch den Widerspruchsbescheid erteilt, gelten nach einer Entscheidung des Zweiten Senats vom 21. April 2005 (- 2 AZR 255/04 -) dieselben Grundsätze. Zwar regelt § 91 Abs. 5 SGB IX unmittelbar nur die Zustimmung durch das Integrationsamt. Die weitgehende Übereinstimmung der Interessenlagen und Verfahrenskonstellation rechtfertigt jedoch die Anwendung des in § 91 Abs. 5 SGB IX zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens. Der Arbeitgeber
kann – und muss – auch dann, wenn die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung vom Widerspruchsausschuss erteilt wird, unverzüglich kündigen, wenn er sichere Kenntnis davon hat, dass der Widerspruchausschuss die Zustimmung erteilt. Zwar hatte der Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung erst unverzüglich nach Zustellung des Widerspruchsbescheides erklärt. Gleichwohl kann ihm kein Verschuldensvorwurf i.S. des § 121 BGB gemacht werden. In dem Zeitpunkt, in dem er darüber entscheiden musste, ob er die Kündigung bereits nach mündlicher Bekanntgabe der Zustimmung aussprechen konnte, war die jetzt vom Zweiten Senat entschiedene Rechtsfrage ungeklärt. Er durfte und hat seinem rechtlich relevanten Verhalten eine nachvollziehbare Rechtsauffassung zugrunde gelegt. Dies begründet keinen Verschuldensvorwurf i.S. des § 121 BGB.
Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die durch Gesetz vorgeschriebene Schriftform wird nach § 126 Abs. 1 BGB dadurch erfüllt, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird. Mit Urteil vom 21. April 2005 (- 2 AZR 162/04 -) hat der Zweite Senat über die Schriftform des § 623 BGB bei einer durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Arbeitgeber erklärten Kündigung entschieden. Für die Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle Erklärenden die schriftliche Erklärung unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Die Wahrung der gesetzlichen Schriftform setzt bei einer GbR danach voraus, dass die Urkunde erkennen lässt, dass die Unterschrift der handelnden Gesellschafter auch die Erklärung eines nicht unterzeichnenden Gesellschafters decken soll, sie also auch in dessen Namen erfolgt ist. Es reicht nicht, wenn in dem Kündigungsschreiben alle Gesellschafter sowohl im Briefkopf als auch maschinenschriftlich in der Unterschriftszeile aufgeführt sind, aber lediglich ein Teil der Gesellschafter ohne weiteren Vertretungszusatz das Kündigungsschreiben handschriftlich unterzeichnet. Eine solche Kündigungserklärung enthält keinen hinreichend deutlichen Hinweis darauf, dass es sich nicht lediglich um den Entwurf eines Kündigungsschreibens handelt, der versehentlich von den übrigen Gesellschafter der GbR noch nicht unterzeichnet ist.
j) Treuwidrige Zugangsvereitelung
Im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung hat der Zweite Senat mit Urteil vom 22. September 2005 (- 2 AZR 366/04 -) entschieden, dass der Empfänger einer Willenserklärung sich nach Treu und Glauben nicht auf den verspäteten Zugang dieser Erklärung berufen kann, wenn er die Zugangsverzögerung selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Erklärende die entsprechenden Fristen gewahrt. Wer aufgrund bestehender vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, muss geeignete Vorkehrungen treffen, dass ihn derartige Erklärungen erreichen. Auch bei schweren Sorgfaltsverstößen kann der Adressat nach Treu und Glauben regelmäßig nur dann so behandelt werden, als habe ihn die Willenserklärung erreicht, wenn der Erklärende alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte. Muss ein Arbeitnehmer mit dem Zugang einer Kündigung rechnen, so verletzt er die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erheblich, wenn er dem Arbeitgeber, dem die derzeitige Anschrift des Arbeitnehmers nicht bekannt ist, bei der Übersendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Absender eine Anschrift mitteilt, unter der er tatsächlich nicht erreichbar ist. Ist ein Arbeitnehmer nach Treu und Glauben so zu behandeln, als sei ihm die Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses zugegangen, bedarf die Kündigung nach § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht der Zustimmung des Integrationsamts.
3. Freiwillige Abfindung und Gleichbehandlung
Der Neunte Senat war mit der Frage befasst, ob einem Arbeitnehmer auf der Grundlage eines einseitig vom Arbeitgeber aufgestellten freiwilligen Leistungsplans für von betriebsbedingten Kündigungen betroffene Arbeitnehmer, ein Anspruch auf eine Abfindung zusteht. Mit Urteil vom 15. Februar 2005 (- 9 AZR 116/04 -) hat der Neunte Senat entschieden, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist. Dieser ist nicht verletzt, wenn er Arbeitnehmer von der Abfindung ausnimmt, die gegen die Kündigung gerichtliche Schritte einleiten. Das Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit und Vermeidung des mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung verbundenen Aufwands an Sach- und Personalkosten ist ein sachlicher Grund zur unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber darf die Zahlung der Abfindung als Steuerungsmittel einsetzen, um die Betriebsänderung störungsfrei durchzuführen. Diese unterschiedliche Behandlung verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. Das gesetzliche Ziel dieser Vorschrift bedingt eine einschränkende Auslegung. Schutzziel des Maßregelungsverbotes ist es nicht, den Arbeitsvertragsparteien die anerkannt zulässigen Möglichkeiten zur Gestaltung der Arbeits- und Ausscheidensbedingungen zu nehmen.
§ 612 a BGB lässt sog. Abwicklungsverträge zu, nach denen der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung unter Verzicht auf sein Klagerecht aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Für einseitig aufgestellte Abfindungsbedingungen, die dem Arbeitnehmer vor oder nach der Kündigung bekannt gemacht werden, gilt nichts anderes. Davon geht auch der Gesetzgeber aus, der mit dem Arbeitsmarktreformgesetz zum 1. Januar 2004 einen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung in § 1 a KSchG geschaffen hat, der ebenfalls ein Junktim zwischen Abfindung und Hinnahme der Kündigung vorsieht. In der Entscheidung – der Arbeitnehmer war als Haustechniker an der Botschaft der Vereinigten Staaten beschäftigt – hat der Neunte Senat weiter entschieden, dass ein ausländischer Staat keine Staatenimmunität in Rechtsstreitigkeiten genießt, die sein nicht hoheitliches Handeln betreffen. Wartung und Instandhaltung technischer Einrichtungen
zur Zugangskontrolle einer Botschaft betreffen nicht hoheitliches Handeln.
4. Tarifliche Entlassungsentschädigung
Mit Urteil vom 23. Februar 2005 (- 4 AZR 139/04 -) hat der Vierte Senat über einen Anspruch auf Entschädigung wegen Entlassung nach § 8 i.V.m. § 3 des Tarifvertrags zur Abwendung sozialer Härten bei Rationalisierungsmaßnahmen für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Druckindustrie vom 6. Juli 1984 (Ratio-TV) entschieden. Der Anspruch auf die Entschädigung setzt nach diesen Vorschriften voraus, dass eine Änderung von Arbeitstechniken erfolgt und diese mit technischer Entwicklung sowie – im Sinne eines zweiten selbständigen Erfordernisses – mit Rationalisierung zu begründen ist. Die Entlassung des Arbeitnehmers muss Folge dieser Maßnahmen sein. Nach der Entscheidung des Vierten Senats besteht der Anspruch auf die Entlassungsentschädigung nach § 8 i.V.m. § 3 Ratio-TV auch dann, wenn die Entlassung darauf beruht, dass der Arbeitnehmer mit seiner Qualifikation die durch die Rationalisierungsmaßnahmen geschaffenen Arbeitsplätze nicht ausfüllen kann. Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrags. Ein Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, der Arbeitsplatzver-
lust des Arbeitnehmers beruhe darauf, dass dieser seine Qualifikation nicht der technischen Entwicklung angepasst habe. § 8 Abs. 3 Satz 3 Ratio-TV sieht vor, dass der Anspruch auf die Entlassungsentschädigung entfällt, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt. Hierauf darf sich ein Arbeitgeber nicht berufen, wenn er selbst in Abrede gestellt hat, die Kündigung beruhe auf einer Rationalisierungsmaßnahme i.S. des Tarifvertrags und das Vorliegen dieser Voraussetzung für den gekündigten Arbeitnehmer mangels entsprechender Kündigungsbegründung nicht erkennbar ist. In einem solchen Fall handelt der Arbeitgeber rechtsmissbräuchlich unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens.