Betriebliche Altersversorgung

Im Berichtszeitraum betrafen mehrere Entscheidungen des Dritten Senats Fragen der betrieblichen Altersversorgung im Zusammenhang mit Umwandlungen oder Betriebsübergängen. Mit Beschluss vom 22. Februar 2005 (- 3 AZR 499/03 -) hat der Dritte Senat entschieden, dass der Übergang von Versorgungsverbindlichkeiten im Rahmen einer Spaltung zur Neugründung sich nicht nach § 613 a BGB i.V.m. § 324 UmwG, sondern ausschließlich nach Umwandlungsrecht richtet, wenn der Versorgungsberechtigte vor Wirksamwerden der Spaltung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war. Entscheidend für die Zuordnung von Versorgungsverbindlichkeiten zu dem übertragenden oder dem neu gegründeten Unternehmen ist der Spaltungsplan.

Hierbei dürfen die Anforderungen an die Kennzeichnung einzelner Gegenstände nicht überspannt werden. Im Anschluss an den Bundesgerichtshof geht der Dritte Senat davon aus, dass es genügt, wenn sich nach Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände ergibt, dass ein Gegenstand bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung dem Geschäftsbetrieb eines bestimmten Unternehmensteils, der abgespalten werden soll, zuzurechnen ist. Die Zuordnung von Versorgungsverbindlichkeiten durch Spaltungsplan zu einer neu gegründeten Gesellschaft wird unabhängig davon wirksam, ob die Versorgungsberechtigten und/oder der Pensions-Sicherungs-Verein dem zustimmen oder widersprechen. Weder §§ 414, 415 oder 613 a Abs. 6 BGB noch § 4 BetrAVG sind im Rahmen der partiellen Gesamtrechtsnachfolge, wie sie das Umwandlungsrecht anordnet, anwendbar. Dies gilt auch bei einer Spaltung zur Neugründung, mit der kommunale Einrichtungen privatisiert werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Dritten Senats sind anspruchsausschließende Wartezeiten in einer Versorgungsordnung grundsätzlich zulässig (§ 1 b Abs. 1 Satz 2 und Satz 5 BetrAVG) . Mit einem Urteil vom 19. April 2005 (- 3 AZR 469/04 -) hat der Dritte Senat entschieden, dass der neue Arbeitgeber bei der Aufstellung von Berechnungsregeln die Beschäftigungszeit beim früheren Arbeitgeber als wertbildenden Faktor außer Ansatz lassen kann, wenn Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang erstmals eine Versorgungszusage erhalten. Dies verstößt nicht gegen den Schutzzweck des § 613 a BGB. Sofern der Arbeitnehmer des übergehenden Betriebs zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs keine Versorgungsanwartschaft erworben hatte, steht es dem Erwerber grundsätzlich frei, ob und in welcher Höhe er Versorgungsleistungen erbringen will. Es wird nicht in bereits erworbene Besitzstände übernommener Arbeitnehmer eingegriffen. Aus § 613 a BGB ergibt sich nicht, dass durch den Betriebsübergang neue Betriebsrentenansprüche der übernommenen Arbeitnehmer begründet werden. Dem steht nicht entgegen, dass bei der Anwendung der Unverfallbarkeitsgrundsätze des § 1 BetrAVG die Beschäftigungszeiten beim Veräußerer und Erwerber zusammen zu rechnen sind. Dies erfolgt deshalb, weil das Arbeitsverhältnis durch den Betriebsinhaberwechsel nicht unterbrochen wird. Mit einer qualifizierten Wartezeitbestimmung hingegen wird eine Voraussetzung dafür normiert, dass überhaupt ein Betriebsrentenanspruch entstehen kann.

Mit Urteil vom 19. Mai 2005 (- 3 AZR 649/03 -) hat der Dritte Senat entschieden, dass ein Arbeitsverhältnis auf den Betriebserwerber übergeht, wenn es wirksam auf das Ende des Tags vor dem Betriebsübergang befristet ist und der Erwerber es nahtlos durch Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses fortsetzt. Der Schutzzweck des § 613 a Abs. 1 BGB gebietet, mehrere Arbeitsverhältnisse als ein einheitliches zu behandeln, wenn ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsverhältnissen besteht. Geht ein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf einen Betriebserwerber über, tritt dieser in die Anwartschaften aus betrieblicher Altersversorgung ein. Der Veräußerer haftet nur unter den Voraussetzungen des § 613 a Abs. 2 BGB neben dem Erwerber. Dies setzt voraus, dass die Ansprüche auf Betriebsrente innerhalb eines Jahres seit dem Betriebsübergang fällig werden. Erfolgt der Betriebsübergang im Rahmen eines insolvenzrechtlichen Verfahrens, ist die Haftung des Erwerbers eingeschränkt, soweit der insolvenzrechtliche Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung eingreift. § 613 a BGB ist nicht anzuwenden, soweit Forderungen den besonderen Verteilungsgrundsätzen des Insolvenzverfahrens unterliegen. Nur insoweit können diese Verteilungsgrundsätze den allgemeinen Regeln über den Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vorgehen. Deshalb ist aus insolvenzrechtlichen Gründen die Haftung des Betriebserwerbers für Masseansprüche, also Ansprüche, die aus der Masse ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen vollständig zu befriedigen sind, nicht eingeschränkt. Die bloße Möglichkeit der Masseunzulänglichkeit ist kein insolvenzrechtlicher Grundsatz, der die Haftung des Erwerbers gem. § 613 a BGB einschränkt. Ob dies anders ist, wenn Masseunzulänglichkeit vorliegt und damit die besonderen Verteilungsgrundsätze des § 209 InsO gelten, hat der Senat offen gelassen.

Sieht eine Versorgungsordnung zur Ermittlung der bei Betriebstreue bis zum Versorgungsfall erreichbaren Vollrente eine sog. aufsteigende Berechnung vor, bedeutet dies nach einer Entscheidung des Dritten Senats vom 15. Februar 2005 (- 3 AZR 298/04 -) nicht, dass deshalb der Wert einer unverfallbaren Anwartschaft „aufsteigend“ bis zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens zu berechnen wäre. Enthält die Versorgungsordnung – hier die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder – für diesen Fall keine entsprechende Regelung, ist grundsätzlich die erreichbare Vollrente aufsteigend bis zum Versorgungsfall zu ermitteln und der sich ergebende Betrag sodann zeitanteilig im Verhältnis der tatsächlich erreichten zu der bis zur Altersgrenze erreichbaren Beschäftigungszeit zu kürzen. Zugleich bestätigt der Senat seine bisherige Rechtsprechung , wonach das Verbot der zweifach mindernden Berücksichtigung der fehlenden Beschäftigungszeit zwischen dem vorgezogenen Eintritt in den Ruhestand und dem Erreichen der festen Altersgrenze auf den im § 2 Abs. 1 BetrAVG geregelten Fall der Berechnung der Invaliditätsrente nach vorzeitigem Ausscheiden nicht zu übertragen ist.

Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu vier vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersvorsorgung verwendet werden. Die Durchführung dieses Anspruchs wird durch Vereinbarung geregelt (§ 1 a Abs. 1 Satz 1, 2 BetrAVG). Mit Beschluss vom 19. Juli 2005 (- 3 AZR 502/04 -) hat der Dritte Senat entschieden, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen der Entgeltumwandlung nicht den Versicherungsträger wählen kann, über den eine Direktversicherung durchgeführt werden soll. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ist die Altersversorgung über einen Pensionsfond oder eine Pensionskasse durchzuführen, wenn der Arbeitgeber dazu bereit ist. Andernfalls kann der Arbeitnehmer verlangen, dass der Arbeitgeber für ihn eine Direktversicherung abschließt. Ein gesetzliches Recht des Arbeitnehmers, in diesen Fällen nicht nur die Durchführung der Altersversorgung über eine Direktversicherung zu verlangen, sondern auch den Versicherungsträger auszuwählen, besteht nicht. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, nach dem die Wahl des Versicherungsunternehmens dem Arbeitgeber zustehen soll, um dessen Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten. Zudem macht es wegen der so erreichbaren günstigeren Versicherungsbedingungen nur Sinn, die Direktversicherung als Gruppenversicherung durchzuführen.

Der Dritte Senat hat für die materielle Überprüfung von Eingriffen in Versorgungsanwartschaften ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt . Mit Urteil vom 28. Juli 2005 (- 3 AZR 14/05 -) hat der Senat bekräftigt, dass dieses Schema nicht unbesehen auf Tarifverträge angewandt werden kann. Die Tarifautonomie ist als Teil der Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützt. Den Tarifvertragsparteien steht daher bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Regelungen ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeitskontrolle.

Die Tarifvertragsparteien sind allerdings an die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die an das Gewicht der Änderungsgründe zu stellenden Anforderungen hängen von den Nachteilen ab, die den Versorgungsberechtigten durch die Änderung der Versorgungsregelung entstehen. Wird nicht in den erdienten Besitzstand einer Versorgungsanwartschaft eingegriffen und sind die Eingriffe nicht schwerwiegend, reicht jeder sachliche Grund aus. Im zu entscheidenden Fall hatten die Tarifvertragsparteien abweichend von der bisher geltenden Regelung die Gesamtversorgung der Betriebsrentner und die der aus gesundheitlichen Gründen beurlaubten Arbeitnehmer von der Einkommensentwicklung der aktiven Arbeitnehmer abgekoppelt. Ein sachlicher Grund für diesen Eingriff lag schon deswegen vor, weil die Tarifvertragsparteien eine Überversorgung ein-
gegrenzt haben.

In seinem Urteil vom 28. Juli 2005 (- 3 AZR 457/04 -) war der Dritte Senat mit einer Versorgungsordnung befasst, die für die Gewährung einer Witwen- oder Witwerversorgung voraussetzt, dass die Ehe mindestens 10 Jahre bestanden hat, wenn sie nach Vollendung des 50. Lebensjahres des verstorbenen Ehegatten geschlossen worden ist. Diese Spätehenklausel hat der Dritte Senat für wirksam erachtet. Sie verstößt nicht gegen das Gebot des § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, Arbeitnehmer nicht wegen Überschreitung bestimmter Altersstufen zu benachteiligen. Die Spätehenklausel dient einer sachlich gerechtfertigten Risikobegrenzung des Arbeitgebers. Ein Leistungsversprechen im Bereich der Hinterbliebenenversorgung birgt zusätzliche Unwägbarkeiten und
Risiken in sich, die insbesondere den Zeitpunkt des Leistungsfalls und die Dauer der Leistungserbringung betreffen. Zudem schränkt die Kombination von Höchstalter und Mindestehedauer den Ausschlusstatbestand ein. Es ist auch sachlich gerechtfertigt, dass der Arbeitgeber bei einer längeren Ehe auf die Risikobegrenzung verzichtet. Ein Höchstalter von 50 Jahren und eine Mindestehedauer von 10 Jahren ist gemessen am Regelungszweck vertretbar. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung
und Beruf von 27. November 2000, die nach Art. 1 einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters bezweckt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie ist noch nicht abgelaufen. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Auf die Ehepartner ist kein unzulässiger Zwang ausgeübt worden. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Eheschließung durch Einräumung von Ansprüchen zu fördern. Nach § 1 b BetrAVG nF wird die Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unverfallbar, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, aber nach Vollendung des 30. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens 5 Jahre bestanden hat. Nach der bis zum 31.12.2000 gültigen Fassung des § 1 BetrAVG (aF) wurde die Anwartschaft unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer bei Ausscheiden 35 Jahre alt war und entweder die Versorgungszusage mindestens 10 Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens 12 Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage mindestens 3 Jahre bestanden hat. Nach einem Urteil des Dritten Senats vom 18. Oktober 2005 (- 3 AZR 506/04 -) ist diese Altregelung mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verstößt weder gegen Art. 3 GG noch gegen das europarechtliche Lohngleichheitsgebot. Eine etwaige Ungleichbehandlung ist durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Mit der Unverfallbarkeitsvorschrift des § 1 Abs. 1 BetrAVG aF hat der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit der Arbeitgeber zugunsten des Sozialschutzes der Arbeitnehmer eingeschränkt. Er hat seinen Gestaltungs-

spielraum nicht dadurch überschritten, dass er lange vor der Regelaltersgrenze erworbene Anwartschaften für weniger schutzwürdig hielt als später erworbene. In seinem Beschluss vom 18. Januar 2005 (- 3 ABR 21/04 -) war der Dritte Senat mit einem Streit der Betriebspartner befasst, wie die in einer Betriebsvereinbarung geregelten Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer zu berechnen sind, die vor Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente zum Zwecke des Vorruhestands ausscheiden. Der Dritte Senat hat entschieden, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat gegenüber verpflichtet ist, eine Betriebsvereinbarung so durchzuführen, wie sie abgeschlossen ist. Dieser auf abredemäßige Durchführung der Betriebsvereinbarung gerichtete Anspruch ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit i.S. des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, in der nach § 80 Abs. 1 ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet. Er ist von den durch die Betriebsvereinbarung begründeten individualrechtlichen Ansprüchen der Arbeitnehmer zu unterscheiden. Diese Ansprüche kann der Betriebsrat nicht im eigenen Namen geltend machen. Der Individualrechtsschutz darf nicht auf das Verhältnis Arbeitgeber/Betriebsrat verlagert werden. Die Arbeitnehmer können nicht die Kosten für die Durchsetzung ihrer Rechte durch Einschaltung des Betriebsrats auf den Arbeitgeber abwälzen. Im Beschlussverfahren können die Betriebspartner nicht nur die Wirksamkeit oder Geltung einer Betriebsvereinbarung klären lassen, son dern auch deren Auslegung. Der Auslegungsstreit muss aber den Inhalt der in der Betriebsvereinbarung getroffenen Abreden betreffen. Soweit die Betriebsvereinbarung keine Regelung enthält und der Arbeitgeber tarifliche oder gesetzliche Vorschriften vollzieht, hat der Betriebsrat keinen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruch. In dem vom Senat entschiedenen Verfahren haben die Beteiligten darüber gestritten, zu welchem Rechenweg die gesetzlichen Grundwertungen der §§ 2, 6 BetrAVG führen. Auf diese Meinungsverschiedenheit erstreckt sich der betriebsverfassungsrechtliche Durchführungsanspruch nicht.