Grenzüberschreitender Arbeitnehmereinsatz

Nach § 1 a AEntG haftet ein Generalunternehmer, der einen Nachunternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, für die Mindestlohnansprüche der bei dem Nachunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Nach einem Urteil des Fünften Senats vom 12. Januar 2005 (- 5 AZR 617/01 -) ist diese Vorschrift verfassungsgemäß. Die in § 1 a AEntG geregelte Bürgenhaftung greift zwar in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein. Diese Beeinträchtigung ist jedoch durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. § 1 a AEntG dient der wirksamen Durchsetzung des § 1 AEntG. Die verschuldensunabhängige Bürgenhaftung des Bauunternehmers soll diesen veranlassen, verstärkt darauf zu achten, dass seine Nachunternehmer die nach dem AEntG zwingenden Arbeitsbedingungen – insbesondere die verbindlichen Mindestlöhne – einhalten und tatsächlich erfüllen. Der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG entspricht noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die in § 1 a AEntG geregelte Bürgenhaftung ist zum Erreichen der gesetzlichen Ziele geeignet. Ein anderes gleich wirksames Mittel, das weniger einschränkend wirkt, steht nach der nicht zu beanstandenden Auffassung des Gesetzgebers nicht zur Verfügung. Nach dieser ist eine Verstärkung und Ausweitung der Baustellenkontrollen durch die Gewerbeaufsicht nicht in gleicher Weise wie die verschuldensunabhängige Nettolohnhaftung geeignet, die gesetzgeberischen Ziele zu verwirklichen. Der durch die Bürgenhaftung bewirkte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG steht noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dieser Regelung verfolgten Zweck. Eine verfassungskonforme Einschränkung des Umfangs der Bürgenhaftung auf zumutbare Erkennungsund Abwehrmaßnahmen ist nicht erforderlich. Im Anschluss an das auf der Grundlage eines Vorlagebeschlusses des Fünften Senats in diesem Verfahren ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften hat der Senat entschieden, dass die in § 1 a AEntG angeordnete Bürgenhaftung mit der durch Art. 49 EG gewährleisteten Freiheit des Dienstleistungsverkehrs vereinbar ist. Der Senat hat weiter entschieden, dass der nach § 1 Abs. 1 AEntG vom Arbeitgeber zu zahlende Mindestlohn ausschließlich für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen geschuldet wird, weil die Rechtsnormen des für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrags zur Regelung eines Mindestlohns im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 26. Mai 1999 nur insoweit international zwingend i.S. von Art. 34 EGBGB sind. Die Haftung nach § 1 a AEntG erfasst nicht Ansprüche aus Annahmeverzug sowie Ansprüche gegen den Arbeitgeber auf Verzugszinsen wegen verspäteter Lohnzahlung. Erhält ein früher bei den Stationierungsstreitkräften beschäftigter Arbeitnehmer Überbrückungsbeihilfe gem. § 4 Ziff. 1 Buchst. b des Tarifvertrags vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV SozSich), schreibt § 4 Ziff. 3 Buchst. b TV SozSich die Ermittlung der Bemessungsgrundlage unter Abzug der fiktiv berechneten Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge vor. Mit Urteil vom 10. März 2005 (- 6 AZR 119 317/01 -)      hat der Sechste Senat entschieden, dass die Berücksichtigung der fiktiven deutschen Lohnsteuer sich nachteilig auf die Situation der Grenzgänger auswirken kann. Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ansässig und steuerpflichtig sind, können gegenüber Arbeitnehmern benachteiligt werden, die in Deutschland ihren Wohnsitz haben und dort steuerpflichtig sind. Nach den Vorgaben des aufgrund des Vorlagebeschlusses des Sechsten Senats in diesem Verfahren ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs stehen Art. 39 EG und Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 einer solch benachteiligenden tariflichen Regelung entgegen. Diese Vorschriften gebieten, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe im Falle des § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich bei einem in Frankreich ansässigen ehemaligen Arbeitnehmer nicht die fiktive deutsche Lohnsteuer, sondern die fiktive in Frankreich zu entrichtende Lohn-/Einkommensteuer zu berücksichtigen ist.

Dem Achten Senat lag im Berichtszeitraum folgende Konstellation der Auslandsentsendung eines Arbeitnehmers zur Entscheidung vor: Der Arbeitnehmer war zunächst bei der Arbeitgeberin in Deutschland beschäftigt. Aufgrund einer zwischen den Parteien abgeschlossenen Entsendevereinbarung wurde er befristet für die Dauer von vier Jahren für die Arbeitgeberin in Libyen tätig. Mit Urteil vom 14. Juli 2005 (- 8 AZR 392/04 -)       hat der Achte Senat entschieden, dass es sich bei dem Entsendevertrag um einen weiteren, zweiten Arbeitsvertrag der Parteien handelt und sie den bisherigen Arbeitsvertrag für die Dauer der Entsendung zum Ruhen gebracht haben. Dies ergibt die Auslegung der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung. Diesem Auslegungsergebnis steht nicht entgegen, dass wesentlicher Zweck der Entsendevereinbarung ist, dem Arbeitnehmer die deutsche Sozialversicherung zu erhalten. Hierfür ist gem. § 4 Abs. 1 SGB IV lediglich erforderlich, dass die Beschäftigung im Ausland vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sein muss. Wie dieses Erfordernis umzusetzen ist, regelt § 4 Abs. 1 SGB IV nicht. Vereinbaren die Parteien, dass ein Arbeitsverhältnis im Inland für die Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber zur Entsendung ins Ausland ruht, so leben die Rechte und Pflichten aus dem Ursprungsarbeitsverhältnis nach Fristablauf wieder auf. War dieses Arbeitsverhältnis einem inzwischen auf einen Betriebserwerber übergegangenen Betriebsteil zugeordnet, ist der Betriebserwerber nach Auslauf des Auslandsarbeitsverhältnisses alleiniger Arbeitgeber. Der Achte Senat hat weiter entschieden, dass die Befristung des Auslandsarbeitsverhältnisses wirksam ist, wenn sie dazu dient, dem Arbeitnehmer eine gesicherte Rückkehrmöglichkeit zu gewährleisten und die deutsche Sozialversicherung gem. § 4 SGB IV zu erhalten. Maßgeblich war insoweit noch die Rechtslage vor Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, nach der die Befristung eines Arbeitsvertrags einer Rechtfertigung bedurfte, wenn dem Arbeitnehmer durch die Befristung der ihm ansonsten zustehende gesetzliche Kündigungsschutz vorenthalten wird.