Kollektives Arbeitsrecht
A. Betriebsübergang
1. Voraussetzungen des Betriebsübergangs
Ein Betriebsübergang iSd. § 613a BGB setzt die Wahrung der Identität einer auf gewisse Dauer angelegten, hinreichend strukturierten und selbständigen wirtschaftlichen Einheit voraus. Die Wahrung der Identität kann sich aus dem Übergang sachlicher und immaterieller Betriebsmittel, aber auch aus dem Übergang von Personal, Führungskräften, der Übernahme von Arbeitsorganisation und Betriebsmethoden herleiten. Da-bei kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände an (st. Rspr. vgl. nur BAG 2.Dezember 1999 – 8 AZR 796/98 -). Nicht erforderlich für einen Betriebsübergang ist, dass der Übernehmer die konkrete Organisation der verschiedenen übertragenen Produktionsfaktoren beibehält. Es reicht aus, wenn die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung der Produktionsfaktoren aufrechterhalten bleibt. Dies hat der Achte Senat durch Urteil vom 17. Dezember 2010 (- 8 AZR 1019/08 -) im Hinblick auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. Februar 2009 (- C-466/07 – [Klarenberg]) noch einmal ausdrücklich bekräftigt. Im Streitfall hat der Senat einen Betriebsübergang verneint. Wird eine Betriebskantine von dem neuen Betreiber nur noch benutzt, um fertig zubereitete Spei-sen zu wärmen und auszugeben, so bleibt die bisherige Betriebsidentität nicht gewahrt, wenn die Speisen zuvor vor Ort frisch gekocht wurden. Der Entzug und die Verlagerung der Kochleistungen nach außen stellen eine Konzeptänderung dar, die der Annahme eines Betriebsübergangs entgegensteht.
2. Fortgeltung von Kollektivverträgen
Gilt im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer ein Vergütungstarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifbindung, können die gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Ar-beitsverhältnis transformierten Tarifregelungen nach einem Urteil des Vierten Senats vom 21. April 2010 (- 4 AZR 768/08 -) nicht durch eine beim Betriebserwerber geltende ungünstigere Betriebsvereinbarung nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst werden. Eine „Über-Kreuz-Ablösung“ von Tarifnormen durch eine Betriebsvereinbarung ist jedenfalls außerhalb des Bereichs zwingender Mitbestimmung ausgeschlossen. Damit hat sich der Vierte Senat der Rechtsprechung des Ersten und des Dritten Senats angeschlossen (vgl. BAG 6. November 2007 – 1 AZR 862/06 -; 13. November 2007 – 3 AZR 191/06 -). Zudem hat er in der Entscheidung an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, wonach auch bereits vereinbarte, aber erst später wirksam werdende Rechte und Pflichten, die in Normen eines Tarifvertrags geregelt sind, nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zum Inhalt des Arbeitsvertrags mit dem Betriebserwerber werden (BAG 19. September 2007 – 4 AZR 711/06 -). Eine in den statisch fortgeltenden Normen selbst angelegte Dynamik bleibt folglich aufrechterhalten.
B. Betriebliche Altersversorgung
Werden Satzung und Richtlinien einer Unterstützungskasse ausdrücklich oder stillschweigend in Bezug genommen, müssen die Arbeitnehmer nach einem Urteil des Dritten Senats vom 16. Februar 2010 (- 3 AZR 181/08 -) schon aufgrund des nach § 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG typischen Ausschlusses eines Rechtsanspruchs stets mit einer Abänderung der Versorgungsordnung rechnen. Der Ausschluss des Rechtsan-spruchs ist nach der Rechtsprechung des Senats nämlich dahin zu verstehen, dass der Versorgungsanspruch unter dem Vorbehalt eines Widerrufs aus sachlichen Grün-den steht (vgl. BAG 10. September 2002 – 3 AZR 635/01 -). Aus diesem Grund handelt es sich bei der dynamischen Bezugnahme auf die Versorgungsrichtlinien einer Unterstützungskasse nicht um eine überraschende Klausel iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Eine derartige Bezugnahme ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Ein dynamischer Verweis auf Vorschriften eines anderen Regelungswerks führt für sich genommen noch nicht zur Intransparenz. Zur Wahrung des Transparenzgebotes reicht es aus, wenn die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind. Da sich der Regelungsgehalt der Bezugnahmeklausel auf die Verweisung beschränkt, unterliegt die Klausel keiner weitergehenden Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Allerdings sind der Möglichkeit des Arbeitgebers, mit Hilfe einer dynami-schen Verweisung auf die Richtlinien einer Unterstützungskasse auf die Versorgungs-anwartschaften der begünstigten Arbeitnehmer einzuwirken, dieselben Grenzen gesetzt, die für die Ablösung durch Änderungsvereinbarungen der Betriebsparteien gelten
(vgl. dazu BAG 17. November 2001 – 3 AZR 76/92 -). Eingriffe in die Besitzstände sind demnach nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes mög-lich. Je stärker der Besitzstand ist, den die Arbeitnehmer erworben haben, umso ge-wichtiger muss der Grund sein, der einen Eingriff rechtfertigt (vgl. BAG 22. Dezember 2001 – 3 AZR 512/00 -). Im Streitfall lag lediglich ein Eingriff in künftige dienstzeitabhängige Zuwächse vor. Die hierfür erforderlichen sachlich-proportionalen
Gründe für die verschlechternde Neuregelung hat der Senat mit eingehender Begründung bejaht.
In einer Entscheidung vom 18. Mai 2010 (- 3 AZR 80/08 -) musste sich der Dritte Senat mit der Zulässigkeit der Kürzung einer betrieblichen Altersversorgung aufgrund des Bezugs von Witwergeld nach Beamtenversorgungsrecht auseinandersetzen. Die dem Streitfall zugrunde liegende Gesamtbetriebsvereinbarung sieht eine Berücksichtigung des Witwergeldes bei der Errechnung des höchstzulässigen Gesamteinkommens vor. Dies verstößt nicht gegen § 5 Abs. 1 BetrAVG. Die Norm steht einer Anrechnung von Versorgungsleistungen, die nach Eintritt des Versorgungsfalls erstmals an den Versor-gungsberechtigten geleistet werden, nicht entgegen. Sie verbietet nur die Minderung der bei Eintritt des Versorgungsfalls festgesetzten Leistungen der betrieblichen Alters-versorgung im Hinblick auf die Anpassung anderer Versorgungsbezüge an die wirt-schaftliche Entwicklung. Gleiches gilt für § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. Die Vorschrift untersagt lediglich die Anrechnung solcher Versorgungsleistungen auf eine Betriebs-rente, die der Arbeitnehmer ausschließlich durch eigene Beiträge erworben hat. Dies ist bei Einkünften aus der Beamtenversorgung nicht der Fall. Auch § 2 Abs. 5 BetrAVG ist nicht einschlägig. Die Bestimmung soll nur verhindern, dass Versorgungsleistungen, die der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft anderweitig erarbeitet, den unverfallbaren Anspruch auszehren. Die Anrechnung des Witwergelds auf die Betriebsrente verstößt auch nicht gegen den durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz von Ehe und Familie. Allerdings gebietet § 75 BetrVG iVm. dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bei der Gestaltung von Anrechnungsregeln, den Versorgungszweck der betrieblichen Altersversorgung einerseits und ihren Entgeltcharakter andererseits zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Die Berücksichtigung anderweitiger Bezüge bei der Berechnung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung darf deshalb nicht zu deren unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Entwertung führen. Wird eine anderweitige Hinterbliebenenversorgung auf eine betriebliche Altersrente ange-rechnet, muss bei Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung im Beamtenver-sorgungsgesetz die Hinterbliebenenversorgung zumindest zu 20 % erhalten bleiben. Die Versorgungsrichtlinien sind, soweit sie diese Grenze überschreiten, unwirksam.
Der bloße Statusunterschied zwischen Arbeitern und Angestellten kann nach einem Urteil des Dritten Senats vom 16. Februar 2010 (- 3 AZR 216/09 -) eine Ungleichbe-handlung in einer Betriebsvereinbarung hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung nicht rechtfertigen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn durch den Statusunter-
schied gleichzeitig an einen Lebenssachverhalt angeknüpft wird, der geeignet ist, die in der betrieblichen Regelung vorgesehenen unterschiedlichen Rechtsfolgen zu tragen. Dies ist am Regelungszweck und am Differenzierungsgrund zu messen. Der unter-schiedlich hohe Versorgungsgrad durch die gesetzliche Rente ist an sich ein billigenswerter Differenzierungsgrund. Voraussetzung ist, dass die Gruppen – im Streitfall die Lohnempfänger einerseits und Gehaltsempfänger andererseits – hinreichend homogen sind und die Gruppenmitglieder einen typischerweise ähnlichen Versorgungsgrad aus der gesetzlichen Rente aufweisen. Zudem müssen die Rechtsfolgen in der Versorgungsordnung geeignet sein, den unterschiedlichen Versorgungsgrad auszugleichen. Im Entscheidungsfall hat der Senat dies verneint. Die dortige Versorgungsordnung sah unterschiedliche prozentuale Steigerungssätze für Arbeiter und Angestellte vor. Der hierin bestehende Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat jedenfalls im Betriebsrentenrecht zur Folge, dass die benachteiligten Arbeitnehmer Ansprüche auf „Angleichung nach oben“ haben. Diese können sie nicht nur gegen ihren – ehemaligen – Arbeitgeber, sondern auch gegen die Gruppenunterstützungskasse geltend machen. Allerdings sind ihre Ansprüche auf die erhöhten Steigerungssätze begrenzt, die sich seit dem 1. Juli 1993 ergeben. Der Stichtag entspricht der Frist, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber zur Angleichung der Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte gesetzt hat (BVerfG 30. Mai 1990 – 1 BvL 2/83 -). Für Beschäftigungszeiten vor diesem Stichtag konnten die Betriebspar-teien darauf vertrauen, dass sie auch im Betriebsrentenrecht zwischen Arbeitern und Angestellten allein aufgrund des Status unterscheiden durften.
Der Ausschluss von Erziehungsurlaubszeiten von der Anwartschaftssteigerung stellt weder eine nach Art. 157 AEUV noch eine nach Art. 3 Abs. 2 und 3 GG unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Dies hat der Dritte Senat in einem Urteil vom 20. April 2010 (- 3 AZR 370/08 -) entschieden. Versorgungsregelungen, die an die tatsächliche Arbeitsleistung anknüpfen und deshalb Zeiten des Erzie-hungsurlaubs nicht berücksichtigen, sind durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Während des Erziehungsurlaubs ruht das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes. Dieses Ruhen rechtfertigt objektiv eine Anspruchsminderung nicht nur beim Arbeitsentgelt, sondern auch bei den Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung. Dass Zeiten des Grundwehr- oder Ersatzdienstes aufgrund § 14a Abs. 1 bis 3 ArbPlSchG als umlagepflichtige Zeiten zu einer Steigerung des Besitzstandsbetrags führen, obgleich das Arbeitsverhältnis wäh-renddessen ebenfalls ruht, begründet keine mittelbare Diskriminierung von Frauen. Der private Arbeitgeber kann auf die Zeit des Wehr- oder Zivildienstes entfallende Beiträge
nach den Regelungen des ArbPlSchG bei den dort bezeichneten Stellen zur Erstattung anmelden. Dies erlaubt eine Differenzierung auch im Arbeitsverhältnis. Auch der von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Mindestschutz für Familien gebietet es nicht, Erziehungszeiten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung anwartschaftssteigernd zu berücksichtigen. Ebenso wenig stehen sekundäres Unionsrecht oder § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG bzw. § 15 Abs. 2 Satz 6 BErzGG tarifvertraglichen oder satzungsrechtlichen Regelungen entgegen, nach denen solche Zeiten nicht zu einer An-spruchssteigerung führen.
Eine Versorgungszusage kann nach einer Entscheidung des Dritten Senats vom 20. April 2010 (- 3 AZR 509/08 -) den Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerversorgung davon abhängig machen, dass die Ehe vor dem – ggf. vorzeitigen – Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. Dies steht nicht im Widerspruch zu der Unverfallbarkeitsbestimmung des § 1b Abs. 1 BetrAVG. Vielmehr wird der Kreis der mög-lichen Versorgungsberechtigten damit von vornherein in einer für den Mitarbeiter erkennbaren Weise auf Hinterbliebene eingeschränkt, die bereits während des Beste-hens des Arbeitsverhältnisses in familiärer Beziehung zu ihm standen. Eine solche Regelung ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Eine mittelbare Diskrimi-nierung wegen des Geschlechts liegt nicht vor, da nicht ersichtlich ist, dass ein Geschlecht durch die Regelung stärker betroffen wäre. Auch eine mittelbare Altersdiskri-minierung ist nicht gegeben. Das Erfordernis, dass die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein muss, ist durch ein rechtmäßiges Ziel iSd. § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Durch diese Einschränkung sollen die Leistungspflichten des Arbeitgebers auf Risiken begrenzt werden, die bereits während des Arbeitsverhältnisses angelegt waren. Hieran hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse, um die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken kalkulier-bar zu halten. Auch Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ist nicht verletzt. Die Festsetzung von Altersgrenzen in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ist europarechtlich zulässig. Auch Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Durch die einschränkende Voraus-setzung entsteht den Ehepartnern kein Nachteil, den sie ohne die Heirat nicht gehabt hätten.
Besteht ein mit einer Versorgungszusage unterlegtes Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, sind bis zur Insolvenzeröffnung erworbene Anwartschaften reine Insolvenzforderungen, die zur Tabelle angemeldet werden müssen. Für gesetzlich unverfallbare Anwartschaften aus einer Direktzusage tritt der Pensionssicherungsverein ein. Besteht das Arbeitsverhält-
nis nach Insolvenzeröffnung mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, entstehen nach der Eröffnung weitere Anwartschaften zu Lasten der Masse. Kommt es während des Insolvenzverfahrens zu einem Betriebsübergang, so haftet der Betriebserwerber hin-sichtlich der übergegangenen Arbeitnehmer nicht nur für die Anwartschaften, die in der Zeit nach dem Betriebsübergang entstehen, sondern auch für die Anwartschaften, die vom Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum Zeitpunkt des Betriebs-übergangs entstanden sind. Geht das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers nicht in Folge des Betriebsübergangs auf den Erwerber über, so hat nach einem Urteil des Dritten Senats vom 22. Dezember 2009 (- 3 AZR 814/07 -) der Insolvenzverwalter für die erst während des Insolvenzverfahrens erworbenen Anwartschaften des Arbeitnehmers einzustehen. Der Insolvenzverwalter kann diese unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 BetrAVG abfinden. Dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht stillgelegt, sondern vom Erwerber fortgeführt wird, steht dem nicht entgegen. Das Abfin-dungsrecht nach § 3 Abs. 4 BetrAVG soll die Liquidation eines Unternehmens im Insolvenzverfahren erleichtern. Die Vorschrift dient nicht dem Kündigungs-, sondern ausschließlich dem Gläubigerschutz. Deshalb liegt eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit iSd. Norm vor, wenn das insolvente Unternehmen selbst keine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit mehr entfaltet. Eine Beschränkung des Abfindungsrechts auf Anwartschaften „geringen Umfangs“ enthält die Regelung nicht. Dies würde auch dem insolvenzpolitischen Zweck der Norm zuwiderlaufen. Die Ausübung des Ab-findungsrechts kann auch nicht auf eine etwaige Unbilligkeit überprüft werden. § 315 BGB findet auf die Ersetzungsbefugnis des Insolvenzverwalters weder direkt noch analog Anwendung.
Ob die Rechte aus einem Versicherungsverhältnis zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung bei Insolvenz des Arbeitgebers der Masse oder dem Arbeitnehmer zustehen, richtet sich nach der Rechtsprechung des Dritten Senats danach, ob nach den Bedingungen des Versicherungsvertrags noch die Möglichkeit besteht, das Bezugsrecht des Arbeitnehmers zu widerrufen. Räumt der Arbeitgeber – entsprechend dem gesetzlichen Normalfall des § 159 VVG – dem versicherten Arbeitnehmer lediglich ein widerrufliches Bezugsrecht ein, stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag der Masse zu. Ist das Bezugsrecht hingegen unwiderruflich, gehören die Rechte aus dem Versicherungsvertrag von vornherein nicht mehr zum Vermögen des Arbeitgebers und damit auch nicht zur Insolvenzmasse. Sie stehen vielmehr dem Arbeitnehmer zu, der ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO hat. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitneh-mer im Versicherungsvertrag ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, dieses jedoch unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Widerrufsvorbehalt versehen
– sog. „eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht“ – kommt es darauf an, ob die Voraussetzungen für den Widerrufsvorbehalt vorliegen. Nur dann stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag der Masse zu (vgl. nur BAG 26. Juni 1990 – 3 AZR 651/88 -; 31. Juli 2007 – 3 AZR 446/05 -). In einer Entscheidung vom 15. Juni 2010 (- 3 AZR 334/06 -) hat der Dritte Senat diese Rechtsprechung weiter entwickelt. Bei der Auslegung des Versicherungsvertrags, durch die ermittelt werden soll, ob die Voraussetzungen des Widerrufsvorbehalts erfüllt sind, ist danach entscheidend auf die betriebsrentenrechtlichen Wertungen abzustellen. Der Versicherungsvertrag dient dazu, dem Arbeitnehmer auf der Grundlage des BetrAVG Ansprüche zu verschaffen. Des-halb wollen die Vertragsparteien idR an das anknüpfen, was nach dem Betriebsrentenrecht maßgeblich ist. Darf das Widerrufsrecht nach den Versicherungsbedingungen nur ausgeübt werden, wenn der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne dass die Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung gesetzlich unverfallbar sind, liegt ein „Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis“ daher nicht vor, wenn das Ar-beitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf einen anderen Arbeitgeber übergeht. Auch betriebsrentenrechtlich besteht das Arbeitsverhältnis in diesem Fall fort, da der Erwerber nach § 613a BGB in die Verpflichtungen aus der Versorgungszusage eintritt.
Der Pensionssicherungsverein als Träger der gesetzlichen Insolvenzversicherung muss im Sicherungsfall nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nur für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einstehen. Dies sind Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses zusagt. Mit einem Urteil vom 16. März 2010 (- 3 AZR 594/09 -) hat der Dritte Senat seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff der betrieblichen Altersversorgung fortgeführt (vgl. BAG 28. Oktober 2008 – 3 AZR 317/07 -). Danach muss die Zusage des Arbeitgebers einem Versorgungszweck dienen und die Leistungspflicht muss nach dem Inhalt der Zusage durch ein in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG genanntes biologisches Ereignis ausgelöst werden. Ausreichend ist, wenn durch die vorgesehene Leistung ein im BetrAVG angesprochenes biometrisches Risiko teilweise übernommen wird. Die Risikoübernahme muss der Versorgung dienen, wobei der Begriff weit auszulegen ist; erfasst sind nicht nur Geld-, sondern auch Sach- und Nutzungsleistungen. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine betriebliche Altersversorgung iSd. BetrAVG vorliegt, ist nicht, aus welchem Grund die Zusage erteilt wurde, sondern welches Ereignis die Versorgung auslöst. Ob in den maßgeblichen Regelungen neben den vom BetrAVG erfassten Risiken noch weitere abgedeckt werden, ist unerheblich. Demzufolge handelt es sich beim sog. Hausbrand
und der an dessen Stelle tretenden Energiebeihilfe, die nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlebergbaus gewährt werden, um eine betriebliche Altersversorgung, wenn die jeweilige Leistungspflicht auf einem tarifli-chen Tatbestand beruht, der seinerseits an biometrische Risiken iSd. BetrAVG an-knüpft. Soweit die Hausbrandleistung erbracht wird, weil die ausgeschiedenen Arbeitnehmer Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins sind, ist dies nicht der Fall. Anders ist es jedoch, wenn die Leistung gewährt wird, weil der Arbeitnehmer eine Rente für Bergleute nach § 45 Abs. 3 SGB IV erhält. Die gesetzliche Regelung knüpft nämlich an das Invaliditätsrisiko an. Dass es sich bei der Hausbrandleistung um einen tariflich geregelten Anspruch handelt, ist unschädlich. Auch diese sind nach dem Zweck des BetrAVG von dessen § 7 Abs. 1 Satz 1 erfasst. Eine Werksrente, die nur deshalb gezahlt wird, weil der Arbeitnehmer Anpassungsleistungen wegen Umstrukturierungen im Bergbau erhält, ist hingegen keine betriebliche Altersversorgung. Die Rente knüpft an das Risiko der Arbeitslosigkeit und damit nicht an ein biometrisches Risiko nach dem BetrAVG an.
Nach den Regelungen im Einigungsvertrag gilt das BetrAVG auch in den neuen Bundesländern, wenn die Versorgungszusage nach dem 31. Dezember 1991 erteilt wurde. Ausreichend ist, dass der Versorgungsberechtigte nach dem Stichtag zumindest eine bestätigende Neuzusage erhalten hat. Dies hat der Dritte Senat in einem Urteil vom 19. Januar 2010 (- 3 AZR 660/09 -) unter Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden (vgl. BAG 19. Dezember 2000 – 3 AZR 451/99 -). Ist das BetrAVG anwendbar, gelten auch die Regeln zum Insolvenzschutz. Danach hat der Pensionssicherungsverein (PSV) gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG für gesetzlich unverfall-bare Versorgungsanwartschaften, die auf einer Direktversicherung beruhen, unter den im Gesetz geregelten Voraussetzungen einzustehen. Ist ein Gesellschafter gleichzeitig als Arbeitnehmer für die Gesellschaft tätig, besteht der Insolvenzschutz nur, wenn die Versorgungszusage „aus Anlass“ des Arbeitsverhältnisses erteilt wurde. Hierfür ist eine Kausalitätsprüfung erforderlich, die alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit, die für die Unverfallbarkeit der Anwart-schaften erforderlich ist, sind nicht nur Zeiten eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch einer „Tätigkeit für ein Unternehmen“ iSd. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG zu berücksichtigen. Entscheidend ist, dass die jeweilige Tätigkeit für ein- und dasselbe Unternehmen erbracht wurde. Auch Zeiten einer Tätigkeit aufgrund eines Mitgliedschaftsverhältnis-ses für eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks nach dem Recht der DDR zählen deshalb bei der Betriebszugehörigkeit mit. Ein Versicherungsmissbrauch, der nach § 7 Abs. 5 BetrAVG die Eintrittspflicht durch den PSV ausschließt, liegt nur vor,
wenn der Versorgungsberechtigte an der missbräuchlichen Maßnahme beteiligt gewesen ist und den missbilligten Zweck der Maßnahme zumindest erkennen konnte. Die bloße Beleihung der Versicherung mit Zustimmung des Arbeitnehmers ist hierfür noch kein Indiz. Eine Einstandspflicht des PSV besteht hingegen nicht, wenn ein Arbeitnehmer mit einer gesetzlich unverfallbaren Versorgungsanwartschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Unternehmen ausgeschieden ist und seine Ansprüche gegenüber der Versicherung durch sein Ausscheiden und die Insolvenz seines früheren Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wurden. Ob über die in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 1b Abs. 2 Satz 3 BetrAVG geregelten Tatbestände hinaus auch bei einer Beschädigung von Rechten aus einer Direktversicherung eine Einstandspflicht des PSV in Betracht kommen kann, hat der Senat offen gelassen.
C. Berufsbildung
Die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf muss nach einer Entscheidung des Dritten Senats vom 27. Juli 2010 (- 3 AZR 317/08 -) grundsätzlich in einem Be-rufsausbildungsverhältnis iSd. §§ 10 ff. BBiG durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 2 BBiG. Daneben kann – wie § 45 Abs. 2 BBiG zeigt – der Erwerb der für die Ausbildung notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten auch in einem Arbeitsverhältnis erfolgen. Schließen die Vertragsparteien hingegen ein anderes Vertragsverhältnis nach § 26 BBiG – wie etwa im Streitfall einen „Anlernvertrag“ – ist dieses nach § 134 BGB iVm. § 4 Abs. 2 BBiG insgesamt nichtig. Die Nichtigkeit des Vertrags führt dazu, dass das „Anlernverhältnis“ zumindest für den Zeitraum seiner Durchführung entsprechend den Regeln über das fehlerhafte (faktische) Arbeitsverhältnis zu behandeln ist. Dem Arbeitnehmer steht für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis in Vollzug gesetzt wurde, mangels wirksamer Vergütungsabrede ein Anspruch auf die übliche Vergütung iSd. § 612 Abs. 2 BGB zu. Im Bereich des Maler- und Lackiererhandwerks ist dies die Vergütung, die sich aus dem Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohnes für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (TV Mindestlohn) ergibt. Der TV Mindestlohn wurde durch die Dritte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Maler- und Lackiererhandwerk vom 31. August 2005 auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitsverhältnisse erstreckt und damit im Rahmen seines fachlichen Anwendungsbereiches faktisch angewandt. Ob auch die tariflichen Ausschlussfristen stets Teil des an einem Tarifvertrag orientierten üblichen Entgelts iSd. § 612 Abs. 2 BGB sind, konnte dahinstehen. Denn jedenfalls für die im TV Min-
destlohn geregelten Ausschlussfristen trifft dies nach Ansicht des Senats wegen des Gefüges der tariflichen Normen zu.
D. Konkurrentenklage
Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Die Bestimmung begrün-det ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerber-auswahl und auf deren Durchführung anhand der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien (BAG 23. Januar 2007 – 9 AZR 492/06 -). Nur der am besten geeignete Bewerber hat für die ausgeschriebene Stelle einen Besetzungsanspruch (BAG 21. Januar 2003 – 9 AZR 72/02 -). Bricht der öffentliche Arbeitgeber das Stellenbeset-zungsverfahren aus einem sachlich nachvollziehbaren Grund ab, gehen diese Rechte unter (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 277/08 -). In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Neunte Senat in einem Urteil vom 17. August 2010 (- 9 AZR 347/09 -) entschieden, dass die gerichtliche Beanstandung einer Auswahlentscheidung grundsätzlich ein sachlicher Grund für den Abbruch eines Auswahlverfahrens darstellt, sofern die Ausführungen des Gerichts dem Dienstherrn berechtigten Anlass geben, seine Entscheidungsfindung zu überdenken. Diese Anforderungen hat der Senat im Streitfall bejaht. Das Landesarbeitsgericht hatte im einstweiligen Verfügungsverfahren gerügt, der Arbeitgeber habe gegen seine aus Art. 33 Abs. 2 iVm. Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete Pflicht, die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, verstoßen. Die Einhaltung des Doku-mentationsgebots ist zwingende Voraussetzung zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes bei einer Konkurrentenklage. Ein Verstoß hiergegen begründet einen nicht heilbaren Verfahrensmangel, der den Arbeitgeber zum Ab-bruch des Auswahlverfahrens berechtigt.
Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de